Catherine Breillat

von Ula Stöckl

Catherine Breillat wird heute dafür ausgezeichnet, dass sie Sisyphus gleich in ihrem literarischen und filmischen Schaffen den Frauen und Mädchen durch ihr Werk das Recht auf den eigenen Blick auf ihren eigenen Körper und ihre eigene Sexualität wieder beschafft. Auch das Recht darauf, selbst zu bestimmen, zu welchen Bedingungen sie wem, wo und wann die Erlaubnis geben, sie anzuschauen, sexuell aktiv zu sein, schamlos( aus-geschämt) die Sicht frei zu geben auf das ihr Eigene, ohne Scham Lust an ihrem Weiblich-Sein zu empfinden und in ihrem Leben diese Lust so zu etablieren, dass ihr Leben als Frau, als die Andere des Männlichen endlich anfangen kann.

Dieses Mädchen, diese Frau, die sich nicht mehr ihrer Möse, ihrer Säfte, ihrer Fantasien und Begierden schämt, sie ist das Sesam-Öffne-Dich ihrer selbst. Sie ist nicht mehr die weißgekleidete Heilige, die auf ihrem Podest vor Scham erfriert, weil sie den Mann sexuell begehrt, der ihr den Sex verwehrt wie im Film Romance, aus dem wir heute einen Ausschnitt sehen. Sie verbrennt nicht mehr an ihrer eigenen Zuweisung, eine Hure zu sein, weil sie ihr Begehren nicht mehr schmerzlich und beladen mit Schuld als ein ihr auferlegtes Martyrium erleidet, aus dem sie nicht als Handelnde ausbrechen kann. Marie in Romance handelt. Eines schönen Nachmittags setzt sie sich auf seinen Schwanz und erklärt ihm, dass sie jetzt der Kerl wäre, den sie sich nimmt, als wäre er die Frau.

Das macht ihn so wütend, dass er sie aus dem Bett stößt, aber Marie ist von diesem kurzen Moment schwanger. Er beachtet sie auch weiterhin sexuell nicht, aber plötzlich wird sie der Familie vorgestellt und es ist von Heirat die Rede. Noch glaubt Marie noch, dass sie sich über diesen Antrag freut. Als er sie aber nicht einmal in die Klinik begleitet, reicht es ihr. Sie entbindet ihr Kind und gebiert sich selbst dabei als jetzt unabhängige Frau, die ihn mit dem Kind auf spektakuläre Weise verlassen kann.

Ich habe mich lange gefragt, warum es so verschwindend wenige Heldinnen bei den Klassikern gibt. Immer waren es junge Männer, die sich mutig mit ihrem Schwert, ihrem Pfeil und Bogen, ihrer Intelligenz und Geschicklichkeit freiwillig in den Tod begeben haben, um wiedergeboren aus der Unterwelt entlassen ins Leben zurückkehren. Catherine Breillat gibt mir meine Heldinnen. Sie zeigt mir in ihren Filmen das Mädchen, das sich freiwillig dazu entschließt, ihre Jungfräulichkeit zu beenden. Und sie zeigt mir die Frau, die sich die Sexualität nimmt, die sie im üblichen Sinne nicht bekommt.