von Claudia Gehrke
Bevor der Film Mano Destra 1985 auf dem ersten Frauen-SM-Festival „Secret minds“ in Köln uraufgeführt wurde, waren Bilder zu sehen. Sie tauchten auf und verschwanden. In kurzfristig dafür angemieteten leeren Ladenlokalen, an Plakatwänden, in Kinowerbung. Das Bild einer mächtigen Frau, eine übelerlebensgroße Dominagestalt. Metallobjekte. Ein Geheimnis umgab die Bilder. Die Zuschauer konnten von außen in die Schaufenster sehen. Streng und abweisend zeigte die formale Konstruktion dieser irritierenden Arbeiten deutlich, dass sie keine bildgewordene Männerfantasie waren, keine Einladung zu pornografischen Fantasien, im Gegenteil. Erklärungen gab es nicht, die Künstlerin war unsichtbar.
Noch immer agiert sie im Hintergrund mit ihren Bildwelten, macht nicht von sich reden. Cléo Uebelmann war eine der ersten Künstlerinnen, die sich der Bilder aus dem damals männlich kodierten SM-Kontext bediente und sie umwertete. Eine feministisch lesbare und streng durchkomponierte Bildsprache entstand. Die Domina, die mit ruhigen konzentrierten Bewegungen fesselt, ist eine starke Frau. Auch ihr „Opfer“ ist eine starke Frau. In minimalen sinnlichen Bewegungen sieht man ihr Muskelspiel, ihre Hingabe, ihre Kraft. Fesselung und Befreiung, Warten und Anspannung. Die Künstlerin lässt die Bilder im Film „Mano Destra“, dem darauffolgenden Buch „The Dominas-Mano Destra“ und dem aus dem Buch hervorgehenden zweiten Film „Museum of Modern Art“ ihre intensive Ausstrahlung jenseits der Interpretation entfalten. Ihre Arbeiten sind miteinander verwoben, eins ging aus dem anderen hervor und doch haben sie je einzeln zusätzliche eigene Wirkung, das Buch Mano Destra, (das direkt über Verlag weiterhin lieferbar ist),anders intensiv als der Film.
Die Ausstrahlung von Film und Buch kann nur genießen, wer sich der Ruhe hingeben kann, den minimalen Bewegungen folgt, den kleinen Verschiebungen im Bild, dem Ton und der Stille. Das bedrohliche Näherkommen von Schritten, die Musik der Vyllies, die die Stille durchbricht und dann aussetzt und den Bildern ihre Stille umso intensiver zurückgibt. Traumbilder. Einzelne Worte der Songs, wie „black and silence“ oder „the sky is full of stitches“ bleiben haften, liefern eine zusätzliche Ebene. Am Schluss der Blick hinaus ins Leben, die Künstlerin bei der Arbeit, sie hängt Bilder und schreibt.
Wer Sexuelles erwartet, eine heiße SM-Inszenierung, muss enttäuscht werden. Der Film hat Filmgeschichte geschrieben und ist dennoch zeitlos. Insignien von Bondage und SM, Leder, Uniform, Stiefel, Seile, kunstvolle Verknotungen entwickelten sich im Lauf der Jahre, die seit Uraufführung dieses Films vergangen sind, zum Bestandteil populärer Erotikkultur, besonders im Gefolge einiger von Frauen verfasster Bestseller und Ratgeber (schon lange vor Mr. Grey und folgenden SM-Ratgebern) scheinen sie Alltags-Spielzeug geworden, die die Sexualität von Paaren bereichern kann. Viele probieren es aus, lassen es wieder.
Zur Zeit der Entstehung der Bilder und des Films galten Bondage und Leder in der feministischen Auseinandersetzung vor allem als Symbole männliche Machtfantasie, die das Weibliche als ausgeliefertes Lustobjekt festschreibt. Cléo Uebelmanns Film erschien kurz vor dem Höhepunkt der PorNOBewegung, das Buch 1988, auf deren Höhepunkt. Die Reaktionen waren geteilt. Es gab Frauen, die den Film empört ablehnten, andere, zum Beispiel Alice Schwarzer auf dem Secret-Mind-Festival, sahen den Film als große Kunst, versuchten jedoch, ihn einzig als Dokument der Unterdrückung der Frau, als Sichtbarmachen ihrer Einsamkeit, als Kritik an den traurigen Verhältnissen des Patriarchats zu interpretieren. Eine zweite Interpretationsebene sah im Film die Symbolisierung der Strukturen von Frauenverhältnissen. Eine Frau, die sich hingibt, eine andere, die die „Fäden in der Hand hält“ und einen machtvollen „mütterlichen“ Blick wirft. Es gab lesbische Paare die sich über den Film zerstritten, die eine lehnte ihn als Darstellung von Gewalt ab, die andere fand sich in dem Film wieder. Zusammen gingen sie zur Psychoanalytikerin. Die Analytikerin Eva Poluda-Korte hat in einem klugen Essay ihre Interpretation des Films geliefert und mithilfe der Analyse dieses Films die Konflikte einiger Paare zu lösen versucht. Die hingegebene Frau in ihrer embryonalen Stellung, bis hin zum Bild, in der sie in einem durchsichtigen Beutel aufgehoben scheint, oder der große Koffer, es sind innere Räume. Ihre Bewegungen einer sich selbst Hingegebenen, sicher eingehüllt und behütet, zugleich abhängig von den – fesselnden – Bewegungen und Blicken der Domina-Mutter.
Für andere wurde Mano Destra zum Klassiker des feministischen SM-Bondage-Art-Films. Ein Kultfilm, der noch heute nichts von seiner ästhetischen Kraft verloren hat.
Diese Lesarten des Films stimmen alle, doch der Film ist mehr. Schon der Titel „Mano destra“ – die rechte Hand – weist über eine reinen SM- oder patriarchatskritischen Zusammenhang hinaus. Die rechte Hand gilt seit antiken Kulturen als Hand der Kraft, sie hat die Macht zu ordnen, zu schaffen, aufzubauen, aber ebenso die Macht des Zerstörerischen. Es liegt etwas nicht Auflösbares, Rätselhaftes in dem komplexen Wechselspiel aus Macht und Ohnmacht, Hingabe, Auslieferung, Abstand und Nähe, das sich in jeder Beziehung zwischen Menschen wiederfindet.
Für mich haben beispielsweise die minimalen Bewegungen der Gefesselten eine ungeheure erotische Kraft, genauso wie die Blicke der Domina, ihre ordnenden Bewegungen, die Seile. Etwas deutet sich an. Ein Höhepunkt, dem ich, die Betrachtende, dem die Gefesselte entgegenfiebert, und der im Auf- und Abschwellen der Musik, in den Bewegungen, dem Wechsel von Geräuschen und Ruhe immer wieder neu aufgeschoben wird. Die Erwartung einer Berührung, der Erlösung, die nicht kommt, die Drohung, die den Atem stocken lässt, die Erleichterung. Der Moment der Gleichheit, beide Frauen auf Augenhöhe, ein Gleichgewicht, die Auflösung dieses Gleichgewichts.
Das Verrinnen der Zeit ist im Film nahezu körperlich spürbar, bis hin zu deren Stillstand. Der Film bietet Momente des Erotischen jenseits sexueller Techniken und Höhepunkte, die das Nachdenken einerseits herausfordern, andererseits eine Hingabe an die Bilder ohne den zwanghaften Versuch ihrer Interpretation.
Der formale Aufbau des Films und auch des Buchs ist perfekt und mehrfach analysiert worden, ich kann es hier aus Zeitgründen nicht tun. Durchkomponiert bis ins letzte Detail sind Bewegungen, Schnitte, die Körper, die Objekte.
Mit der schwebenden Kugel aus Metall im Buch „Mano Destra“, die erst im Film „Museum of Modern Art“ in Bewegung gerät, möchte ich diese Laudatio beenden. Es ist nichts in der Kugel, nichts außerhalb, nur der Raum und die Grenzen durch die Metallkonstruktion zu einem Innenraum, der durchlässig ist nach außen. Sie deutet an, worum es in erotischen Momenten geht. Auslieferung ist ein wichtiger Moment, Hingabe, Vergessen. Was alles mitspielt, um sich – nicht nur in sexuellen Situationen – aus festgesteckten Grenzen zu entfernen, sich „ganz öffnen“, Neues empfinden zu können. Die eigene sogenannte Identität, das schwebende Selbst in Form einer Metallkugel ist in sich widersprüchlich, Härte und Leichtigkeit in diesem Bild vereint, es ist nicht festgelegt, sondern zwischen den Metallstäben offen für Hinein- und Hinausfliegendes. Die Kugel eröffnet den Übergang zur runden Auster, dem feministischen Poryes-Award, der heute an Cléo Uebelmann überreicht wird für ihre Kunst-Filme, die Filmgeschichte schrieben, für ihr großes zeitlosen Werk, ich gratuliere zum Award!