von Claudia Gehrke (Verlegerin, konkursbuch Verlag)
Als ich neulich ein Frauenpaar für das kommende lesbische Auge interviewte, wir sprachen über die Lust in längeren Beziehungen, erzählten sie, dass sie manchmal, wenn sie erschöpft seien, einfach einen Film einlegen, um mit dem Sex zu beginnen. Nach allen möglichen anderen Versuchen landeten sie dabei immer wieder bei den Filmen einer einzigen Filmemacherin: bei Filmen der Preisträgerin Maria Beatty. Warum? Weil diese Filme sie wirklich anregen würden.
Maria Beattys Filme erregen – zugleich Körper und Fantasie. „Ich bin eine Fantastin“, sagt Maria Betty selbst über sich. Es gehe beim Sex um die Macht von Gedanken. Eine Klitoris zum Beispiel sei ein wunderschönes Detail weiblicher Anatomie, aber sie könne Sexualität nicht auf die Anatomie beschränken.
Maria Beatty spielt mit Grenzen, auch mit ihren eigenen. Sie geht in der Erotik zurück in andere Zeiten. Es interessiert sie die poetische Vision des Sexuellen.
„Ich mache keine Pornografie“, sagte sie in einem Interview, das ich mit ihr vor einigen Jahren führte. Denn Pornografie im konventionellen Sinn bezieht sich nur auf den Körper, „wie eine kaputte Schallplatte, die hängen geblieben ist und immer dasselbe abspielt.“
Maria Beattys Filme sind also keine „Pornografie“ – aber wer sich jetzt unter einer „poetischen Vision“ etwas abgehoben Abstraktes vorstellt, liegt falsch. Denn Maria Beattys Filme zeigen körperliche Lust in ungeheurer Intensität.
Zur poetischen Vision von Sexualität gehört auch die „Beseelung von Dingen“.
Maria Beattys Filme werden als lesbische BDSM-Filme bezeichnet. Das stimmt – es spielen Frauen, es geht um Fetische, lesbischen Sex und BDSM-Techniken. Doch es stimmt auch nicht. Es geht in ihren Filmen um mehr als um sexuelle Identität oder sexuelle Techniken und körperliche Lust. Es geht um sexuelle Inszenierungen zwischen Körper und Geist.
Um Geschichten, in denen Frauen durch die sexuellen Lüste hindurch und über sie hinaus in eine Ebene zwischen Geist und Körper kommen.
Oft gehört die Inszenierung von Schmerz dazu. Durch Schmerzen zu gehen, kann den Körper an einen Punkt transportieren, an den der Geist sexuell mit dem Körper verbunden ist.
Was immer wieder einmal zu kritischen Nachfragen geführt hat, im Sinne von: „Ist das nicht Gewalt?“ Ist es nicht, denn immer wird die Lust derer spürbar und sichtbar, die sich dem Schmerz ausliefern, der ihnen nicht als „Gewalt“ sondern innerhalb der sexuellen Inszenierung bewusst und ruhig erteilt wird.
Die Körper sind eine Art des Ausdrucks, es geht nicht um Worte. Körper und Gesichter selbst sprechen Es geht darum, wie sie sich bewegt, was sie mit den Händen, den Augen macht. Diese poetische Sprache zeigt sich beispielsweise in den Formungen der Körper durch Bondage in Silken Sleeves.
Diese Sprache ist nicht vergleichbar mit der Sprache in konventioneller Pornografie, in der mit den bekannten banalen „Machs mir, gibs mir, härter, härter!!“ suggeriert werden soll, dass alles, was passiert, von den Frauen erwünscht ist, während die Gesichter, und auch die Körper oft anderes erzählen.
Langsamkeit, Inszenierung von Schmerz, Hingabe und Lust sind zu sehen – und auch wenn mir, zum Beispiel in dem schönen Film 7 deadly sins, „körperpraktisch“ keineswegs alle Arten von Schmerz gefallen, ich manchmal fast wegschauen möchte (ich „stehe“ also beispielsweise überhaupt nicht auf Brustklemmen, mit Flagellation dagegen kann ich schon mehr anfangen) – zeigt sich in dieser Hingabe an Schmerz und Lust im Ausdruck der Gesichter, der Körper immer auch der Wunsch und die Bewegung dahin, in andere Ebenen zu gelangen als die erwähnten anatomischen – und das lässt mich dann doch immer weiter hinschauen und erregt mich. Ihre Filme sind ästhetische bis in kleine Details durchgestaltete Kunstwerke.
Beides ist in Maria Beattys Filmen von Bedeutung: Die Ästhetik der Form und die Authentizität der Lust. Nie sieht man nur abstrakte leere Form, es geht immer auch um die Ekstase in ihren konkreten Erscheinungen, und nie sieht man auf der anderen Seite – a la „Deutschland oder USA privat“ – nur abgefilmte Realität.
Deshalb also erregen ihre Filme Geist wie Körper: weil sie eine weibliche Inszenierung der Lust zeigen, die über das „rein“ Körperliche hinausgeht, indem sie intensiv durch die körperlichen Lüste hindurch an die Grenzen geht, an die Grenzen zwischen Sein und Nicht-Sein, Geist und Körper.
Susan Sontag sagte in ihrem berühmten Essay zur pornografischen Fantasie (in „Kunst und Antikunst“, 1968 auf Deutsch erschienen), dass die sexuelle Fantasie immer auf Dinge zurückgreift, die man in der Realität nicht erlebt und auch nicht erleben möchte, dass es also eine Art imaginäres Reservoir gebe, aus dem man schöpft – es also, um zum Anfang der Rede zurückzukehren – in der Erregung, die den Sex des interviewten Paares anregt, nicht darum geht, nachzuspielen, was man sieht, sondern dass sie aus der poetisch-imaginären Intensität der Filme schöpfen.
Dafür danken wir Maria Beatty: dass sie sie diesen imaginären Schatz mit ihren poetisch-sexuellen Bildern erweitert, aus dem unsere Fantasie schöpfen kann.