von Christine Lang
Ich freue mich – im Namen der Jury – Emilie Jouvet zu begrüßen und ihr den PorYes-Award für ihre Filme „Pour une nuit alias One Night Stand“ und „Too much Pussy“ zu überreichen.
Emilie Jouvet ist eine der wichtigsten europäischen, sex-positiven Filmemacherinnen; Sie arbeitet als Fotografin, als Aktivistin in der queeren Szene Frankreichs und seit 2004 als Filmemacherin.
Emilie Jouvet verbindet in ihren Filmen die lustvolle Bildproduktion mit einem aufklärerischen Ansinnen. Ihre Arbeiten sind enorm wichtig: in ästhetischer, performativ-repräsentativer und nicht zuletzt in politischer Hinsicht, bricht sie doch mit althergebrachten Klischees über angeblich „samtweichen“, „blümchenhaften“ Lesben-Sex und mit den immer noch geltenden Darstellungs-Tabus einer nicht heteronormativen Körperlichkeit…
Ihr erster Langfilm „Pour une nuit / One Night Stand“ von 2006 zeigt Lesben und Transgender- Sex in einer so noch nicht gesehen Weise. Der Film gilt als der erste 100%ige Lesben-Porn Frankreichs – einem Land, in dessen Mainstreamkultur die Opposition der Norm-Geschlechter vielleicht besonders stark stark ist.
Der Film ist einerseits ein wichtiger Beitrag für die lesbische Community, der ein solcher Porn zuvor fehlte, zum anderen setzt der Film den, den Mainstream beherrschenden Bildern der Porno-Industrie kraftvolle, lustvolle und: andere Bilder entgegen.
Jouvets Bilder untergraben die hetero-normativen Pornos auf eine positive, auf eine sex-positive Weise: In diesem Film geht es nicht um eine künstliche, stilisierte Inszenierung von Sex, sondern die – im übrigen durchweg sehr hippen – Darstellerinnen leben ihre persönlichen Fantasien und Vorstellungen von Sexualität vor der Kamera aus, wodurch ein bleibender Eindruck von Authentizität vermittelt wird – und wodurch die besondere Nähe, der besondere Respekt der Filmemacherin für die Sex-Performerinnen als Individuen deutlich wird.
Wir sehen in „Pour une nuit“ authentische Körper und echte Lust, wie sehen passionierten Sex – das macht diesen Porn zu einem Film, den man nicht nach einmaligen Gebrauch in die Ecke stellt… sondern den man sich immer wieder anschauen kann. Es ist mehr als ein Porno, es ist eine Art Dokumentation über lesbischen und transgender-Sex in einer sehr coolen Szene. Das dies Absicht der Filmemacherin ist, zeigen die auf der DVD des Films vorhandenen Interviews mit den Protagonistinnen, in denen diese über ihre Erfahrungen mit der Selbstdarstellung vor der Kamera sprechen.
Dabei zeigt Emilie Jouvet nicht nur Gespür für eine direkte, dabei aber respektvolle, und sich gleichermaßen unsichtbar machende Kamera, sondern auch für einen überzeugenden und eigenwilligen Einsatz aller filmischer Stilmittel – als Beispiele seien hier die ambitionierte Montage und der für Pornos ungewöhnliche Einsatz von Musik genannt. Bei der Musik handelt es sich durchweg um Musik aus der lesbisch-queeren Subkulturszene, die das soziale Umfeld der Darstellerinnen zu akzentuieren scheint.
Bemerkenswert ist auch, mit welcher Beiläufigkeit, und ohne mit der affektiven Wirkung der lusterzeugenden Bilder zu brechen, Emilie Jouvet hier Aufklärung betreibt: Aufklärung über lesbischen und transgender-Sex und über: Safersex. Über lesbischen Safersex Informationen zu finden, ist in unserer sogenannten Informationsgesellschaft immer noch nicht leicht…
Mit welch Selbstverständlichkeit ein in Benutzung befindlicher Tampon hier in einer Szene auftaucht, ist bemerkenswert und zeugt von einem Realismusanspruch, den die Regisseurin vertritt. Und diese vorbildliche Herangehensweise zeigt sich ebenso in ihrer 2010 entstandener Road-Movie-Dokumentation „Too much pussy“ über die Queer X Show auf Tour durch Europa. Der Film dokumentiert die Reise der Sex-Aktivistinnen aus einer sagenhaften Nähe zu den Protagonistinnen, zeigt ihre provokative Show, die sich zwischen „PorYes“, Kunst und politischem Aktivismus bewegt und entfaltet dabei ein berührendes Portrait über interessante Sexkünstlerinnen, in dem sich das Private, das Sexuelle und das Politische miteinander verbinden.
Die beiden genannten Filme sind nur zwei Beispiele eines Gesamtwerks, welches in Zukunft hoffentlich noch weiter wachsen wird – aber erst Mal: Weiter so und herzlichen Glückwunsch, Emilie Jouvet!